Das Programm der Tagung beinhaltete aktuelle Themen zu Blitzschutzeinrichtungen, beispielsweise die Anwendung des Blitzkugelverfahrens mit modernen CAD-Systemen oder neu entwickelte Überspannungsschutzkonzepte und die Erdungsanlage, insbesondere der Fundamenterder. Neue Normenstände wurden im Hinblick auf den Blitzschutz von Windenergieanlagen und der Leit- und Sicherungstechnik der Bahn dargestellt. Themen zum Schutz spezieller Einrichtungen waren z.B. der Blitzschutz von Konverter-Stationen oder von urbanen Seilbahnanlagen. Neue Erkenntnisse zur Blitzmessung und aus der Blitzortung wurden vorgestellt und unter dem Schwerpunkt Personenblitzschutz wurden vor allem Fragen zu Schrittspannungen behandelt. Alle 22 Beiträge wurde in Vorträgen präsentiert und diskutiert.
Blitzschutz und Überspannungsschutz in Praxis und Forschung
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Diese Mischung aus verknüpften praxisorientierten Themen und wissenschaftlich-theoretischen Betrachtungen sprach eine große Breite an Tagungsteilnehmern aus verschiedenen Branchen an. Den ausgewogenen Teilnehmerkreis zeigt Bild 1.
Die Blitzschutztagung ist bei unseren europäischen Nachbarn, aber auch international bekannt, und die Themenschwerpunkte sind von großem Interesse. Zahlreiche Besucher aus Österreich, der Schweiz, aus Polen, den Niederlanden, sowie aus Südafrika und Griechenland waren nach Aschaffenburg gekommen.
Einen wertvollen Beitrag zum Gelingen der Blitzschutztagung leisteten acht Fachaussteller, Citel Electronics GmbH, DEHN SE + Co KG, J. Pröpster GmbH, OBO BETTERMANN GmbH & Co. KG, PHOENIX CONTACT GmbH & Co. KG, Raycap GmbH, Siemens AG und Weidmüller Interface GmbH. Die Stände der Hersteller bildeten die begleitende Fachausstellung und zugleich die Treffpunkte zum persönlichen Informationsaustausch und für individuelle fachliche Diskussionen.
Der Rahmen der Blitzschutztagung wurde genutzt, um einen Warnhinweis mit Empfehlungen zum Blitzschutz für bauliche Anlagen, bei denen CFK-verstärkter Beton eingesetzt wird, vorzustellen, zu diskutieren und freizugeben. Die Veröffentlichung auf der VDE|ABB-Homepage erfolgte bereits.
1. Blitzschutzeinrichtungen
Die Eröffnung der Vorträge übernahm Dipl.-Ing. Jürgen Wettingfeld mit seinem Beitrag zur Positionierung von Fangeinrichtungen nach dem Blitzkugelverfahren. In seiner Präsentation stellte er die Vorzüge des Blitzkugelverfahrens vor, die heute mit Hilfe von 3D-CAD-Programmen voll genutzt werden können (Bild) [1].
Mit den folgenden Beiträgen wurde der Fokus auf den Überspannungsschutz gelenkt. M.Sc. Christoph Hippler beschrieb die Wirkungen von Mischfeldbeanspruchung auf Hochspannungs-MO-Widerstände, die aufgrund des parallelen Betriebes von AC- und DC-Systemen zunehmend an Bedeutung gewinnt [2]. Mehr Intelligenz in Überspannungsschutzgeräte zu integrieren war Inhalt des Vortrages von Dr.-Ing. Martin Wetter. Er erläuterte was unter smarten SPDs zu verstehen ist, inwieweit wirklich smarte Überspannungsschutzeinrichtungen verfügbar sind und welcher Nutzen für Anwender erzielt wird [3]. Die veränderten Bedingungen in unseren Niederspannungsversorgungsnetzen bedingen heute und zukünftig angepasste Überspannungsschutzkonzepte. Diese Bedingungen und geeignete Konzepte, umgesetzt in Überspannungsschutzeinrichtungen, stellte Dr.-Ing. Ralph Brocke vor [4].
2. Aktuelle Themen der Normung
International wurde die Blitzschutznorm für Windkraftanlagen (WKA) umfassend überarbeitet und erweitert. Darüber berichtete Dipl.-Ing. (FH) Josef Birkl in seinem Vortrag zu Edition 2 der IEC 61400-24 und DIN EN 61400-24 (VDE 0127-24). Blitzstrommesseinrichtungen werden für WKA empfohlen, um direkte Blitzeinwirkungen in jedem Fall sicher feststellen zu können. Er stellte zudem heraus, dass einige Neuerungen bei WKA auch für den Blitzschutz von Gebäuden relevant sein können. [5]
Der Vortrag von Dipl.-Ing. Gerhard K. Wolff ging auf die neue DB-Richtlinie bezüglich Leit- und Sicherungstechnik ein. Er beschrieb eingehend die Forderung nach SPDs für alle Leitungssysteme und die im Bahnbereich zielführende Umsetzung des Überspannungsschutzes. [6]
Den zweiten Teil dieser Session bildete das Thema Erdungsanlagen, welches zurzeit in Deutschland stark diskutiert wird. Dipl.-Ing. Jürgen Wettingfeld betonte in seinem grundlegenden Vortrag die Bedeutung der Erdungsanlage, nicht nur für den sicheren Blitzschutz, sondern übergreifend für alle elektrotechnischen Installationen [7]. Unter anderem stellte Herr Wettingfeld klar, dass die Kosten für fachgerechte Erdungsanlagen vergleichsweise niedrig und kein Gegenargument sind. Über die Nutzung des isolierten Fundamenterders und die Notwendigkeit des Funktionspotentialausgleichsleiters sprach Dipl.-Ing. Andreas König. Er stellte die Bedeutung zur günstigen Beherrschung von EMV-Problemen heraus [8].
3. Blitzschutz spezieller Objekte
Neue Baumaterialien und Bauweisen stellen immer wieder Herausforderungen für den Blitzschutz dar. Betonbau bei dem Bewehrungsstahl durch CFK ersetzt wird, bietet viele Vorteile, kann aber im Blitzschutz nicht vergleichbar verwendet werden. Dr.-Ing. Ralph Brocke zeigte in seinem Vortrag die Ergebnisse von Blitzstrom- und Netzstromprüfungen. Daraus ergibt sich die Forderung, dass nur sehr kleine Ströme in CFK-verstärkten Beton eingeleitet werden dürfen. [9]
In seinem Vortrag zeigte M.Sc. Adekitan vielfältige Probleme beim Blitzschutz von Schwimmdachtanks auf, die in seinem Heimatland Nigeria bestehen. Schwimmdachtanks zur Lagerung von Öl oder Gas sind in Europa oder Deutschland höherwertig geschützt, aber auch hier bestehen große Schwierigkeiten, insbesondere sichere Blitzfang- und -ableiteinrichtungen herzustellen. [10]
Wie kann ein Blitzschutzsystem auf einer Offshore-Konverter-Plattform mit dem Ziel des Personenschutzes und für die Sicherstellung höchster Anlagenverfügbarkeit realisiert werden. Am Beispiel DolWin beta erläuterte Sören Spiekermann die schrittweise Planung, das Konzept und die Realisierung. [11]
A.o. Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Stephan Pack stellte Fragestellungen und Lösungen zum Blitzschutz urbaner Seilbahnanlagen, die in Österreich in Planung sind, vor. Hierbei sind spezielle Betrachtungen durchzuführen, wie zum Einschlag in Seile, zum Potentialausgleich oder zu Trennungsabständen, so dass eine hohe Personen- und Ausfallsicherheit dieser blitzexponierten Anlagen erreicht werden kann. [12]
Ing. Stefan Thumser zeigte in seinem Vortrag den Blitzschutz in einem ganzheitlichen Brandschutzkonzept für ein ausgewähltes größeres Objekt. Entscheidend für den sicheren Gebäudebrandschutz sind der häufige Austausch zwischen den verschiedenen Fachplanern und die stetige Kontrolle der Ausführung. [13]
4. Blitzmessung
In der Session Blitzmessung wurden sowohl experimentelle Labormessungen als auch Feldmessungen von Blitzentladungen behandelt.
Die Messung von Spannungen bei schnellveränderlichen Blitzströmen wird wesentlich durch den Messaufbau beeinflusst, wie Dipl.-Ing. Christian Drebenstedt aufzeigte. Er erklärte, welche Messergebnisse entstehen und gab Überlegungen zur praktischen Handhabung an. [14]
In einer eindrucksvollen Präsentation stellt Dipl.-Ing. Lukas Schwalt das Blitzforschungssystem LiOn vor. Mit dem System, das zeitlich optisch und elektrisch Blitzentladungen direkt erfasst, können Vergleiche und Bewertungen zu Blitzortungssystemen vorgenommen werden. Herr Schwalt zeigte seine umfangreichen Vor-Ort-Messungen im österreichischen Alpenraum und machte den dafür notwendigen großen technisch-logistischen Aufwand deutlich. [15]
Über ein optisches Blitzortungssystem (OLDS), welches die Universität der Bundeswehr München entwickelt hat und betreibt, berichtete M.Sc. Christian Paul. Erste Messergebnisse zeigen die hohe Leistungsfähigkeit dieses vergleichsweise einfachen Messsystems auf. [16]
Dipl.-Ing. Jens Schönau präsentierte in seinem Vortrag einen Überblick zu Wirkungen von Blitzstrom-Lichtbögen. Dabei rückte er den bei Blitzentladungen an und in beanspruchten Objekten durch den Lichtbogen entstehenden Druck in den Mittelpunkt. Bisher wird der Zerstörungswirkung des transienten Drucks eine zu geringe Bedeutung beigemessen. [17]
5. Personenblitzschutz
Im Fokus der Session Personenblitzschutz stand die durch Blitzströme verursachte Schrittspannung und deren Reduzierung. Eine Ausnahme war der Vortrag von M.Sc. René Machts, der über Laborexperimente und numerische Simulationen an einem Kopfphantom bei Belastung mit Blitzstoßströmen berichtet. Als Ergebnis leitete er ab, dass auftretende Überschläge, der isolierende Schädel und die leitfähige Flüssigkeitsschicht um das Gehirn eine schützende Wirkung bei Blitzeinschlägen auf den Kopf ausüben. [18]
Prof. Dr.-Ing. Jan Meppelink stellte in seinem Vortrag die Ergebnisse von Simulationsrechnungen zu Schrittspannungen auf isolierenden Schichten vor. Insbesondere hat er Asphalt- und Kiesschichten in trockenem und nassem Zustand untersucht und bewertet, wobei vorhandenes Wasser eine Verschlechterung in Bezug auf den Schutz von Personen gegen Schrittspannungen zur Folge hat. [19]Praktische Maßnahmen zur Begrenzung der Schrittspannung auf Sportplätzen bei Blitzeinschlägen in Flutlichtmaste stellte Dr.-Ing. Manfred Menge vor. Die Maßnahmen, die aufgrund einschränkender Randbedingungen, möglich waren, wurden zuvor ebenfalls anhand von Simulationsrechnungen überprüft. [20]
Ein System zur automatisierten Warnung von Personen stellten Dipl.-Ing. Andreas Schmitz und Dipl.-Betr.-Wirt Philipp Kominek in einem gemeinsamen Vortrag vor. Das System basiert auf aktuellen Blitzortungsinformationen und entlastet die Verantwortlichen vor Ort von Entscheidungen und befördert die zügige Umsetzung organisatorischer Anweisungen bei heranziehendem Gewitter. [21]
Im abschließenden Vortrag kam Prof. Dr.-Ing. habil. Michael Rock noch einmal auf das Thema Schrittspannungsreduktion im Blitzschutz zurück. Die Anwendbarkeit von Simulationsrechnungen wurde dargestellt. Außerdem konnte die Wirksamkeit von Potentialsteuerringen, die nach normativen Vorgaben eingebracht sind, zur Absenkung von Schrittspannungen gezeigt werden. [22]
Autor
Prof. Dr.-Ing. habil. M. Rock, Technische Universität Ilmenau
Wissenschaftlicher Tagungsleiter
Tagungsband
Beiträge der 13. VDE Blitzschutztagung, 23. - 14. Oktober 2019, Aschaffenburg
ISBN 978-3-8007-5088-7 (CD-ROM)
ISBN 978-3-8007-5084-9 (E-Book)
ISSN 0340-4161
Ergebnisse der Teilnehmerbefragung
Direkter Link: www.vde-blitzschutztagung.de/2019